Am vergangenen Mittwoch lautete das Motto Mazedonien Wahlen 2020. Den Gang zur Wahlurne nahmen nur knapp 52 Prozent der Wahlberechtigten Bürger wahr, der Verlauf in den Wahllokalen blieb ruhig und friedlich. Das Drama entwickelte sich kurz nachdem die Wahllokale die Pforten schlossen – und es fand kein Ende, bis Redaktionsschluss…
Als ganz Mazedonien gespannt vor den verschiedensten Geräten verweilte um die Stimmenauszählung der Wahl zu verfolgen, begann das Drama. Um 21:10 Uhr ging nichts mehr. Die Webseite der staatlichen Wahlkommission Mazedoniens war Down. Und war ab da an drei Tage lang nicht mehr in Funktion. Mazedoniens Wählerschaft, als auch die beteiligten Parteien, Abgeordnete, Kandidaten, Beobachter, Presse etc, wurden sprichwörtlich im Dunkeln gelassen. Ein Skandal der bisher in der kurzen Geschichte der mazedonischen Unabhängigkeit so noch nie vorgefallen war.
Um Euch nicht zu sehr auf die Folter zu spannen, die ersten „Nicht offiziellen Endergebnisse“ der Mazedonien Wahlen 2020.
Mazedonien Wahlen 2020: SDSM und BESA schlagen knapp VMRO-DPMNE
Nachdem die Webseite der staatlichen Wahlkommission (SEC) sich verabschiedete, und keiner im Land wusste was Sache ist, meldete sich die Wahlkommission 24 Stunden später zu Wort, und veröffentlichte, Zitat „erste nicht offizielle Endergebnisse“. Dieses Prädikat „nicht offizielle“ wurde bis zum Verfassen des Beitrages (Sonntag 19.07.2020, vier Tage nach der Wahl), nicht in „offizielle Ergebnisse“ offizialisiert.
Folgend die Zahlen der Parteien die Sitze im Parlament bei den Wahlen 2020 erreichen konnten (Stand Artikel 19.07.2020, 01:00, Stand Webseite von SEC, 17.07.2020, 17:59 Uhr):
Partei | Sitze | Stimmen | Prozent |
SDSM und Besa | 46 (42+4) | 327.408 | 35,89% |
VMRO-DPMNE | 44 | 315.344 | 34.57% |
DUI | 15 | 104.699 | 11.48% |
AA | 12 | 81.620 | 8.98% |
Levica | 2 | 37.426 | 4.1% |
DPA | 1 | 13.930 | 1.3% |
Die Wahl verlief demnach denkbar knapp. Die bisher regierende SDSM und Zoran Zaev hätte im Direktvergleich mit 42 Sitze im Parlament gegen die VMRO-DPMNE und Hristijan Mickoski mit 44 Sitze den Kürzeren gezogen.
Jedoch zahlte sich für Zaev die eingegangene Koalition mit der Partei der albanischen Minderheit Besa aus, welche ihm vier Sitze und somit 46 Mandate insgesamt einbringen. Insbesondere im sechsten Wahlkreis, in der die albanische Minderheit eine größere Wählerschaft stellt, konnte Besa Punkten.
Historischer Einzug ins Parlament der Linken – Anschuldigungen zur groben Wahlfälschung
Etwas dürftig überschattet wurde das Drama um die Mazedonien Wahlen 2020 von dem historischen Einzug der Linken ins mazedonische Parlament. Levica, wie die Partei im Mazedonischen heißt, konnte aus eigener Kraft zwei Sitze erringen.
Allerdings, schon kurz nach der Wahl und den Skandalen um die Auszählung, erhob Dimitar Apasiev, Kopf der Levica, heftige Anschuldigungen gegenüber dem Wahlprozess. Und so nahm auch die Breite Öffentlichkeit letztendlich Notiz von diesem historischen Moment. Aber die Neulinge lehnten sich nicht zurück, wie mazedonische Medien melden, hat Levica gegen den Wahlprozess Sage und Schreibe 1920 Einsprüche bei der Wahlkommission eingereicht!
Apasiev sprach von Stimmenklau und der „größten Wahlfälschung seit Mazedoniens Unabhängigkeit“. Wie seine Partei in einem Statement mitteilte, habe man in Wahlbezirke, in welchen Familienangehörige der Partei leben, in der Endabrechnung keine Stimmen erhalten. Obwohl nachweislich Familienmitglieder ihre Stimme für Levica und Apasiev abgaben, sagt er. „Wir wurden von Novo Selo bis Karposh bestohlen“ so Apasiev in einem Statement auf den sozialen Netzwerken. „In jedem Wahlbezirk mit 30-40 Stimmen“. Wie er weiter sagte, wurden der Levica in der Endabrechnung „drei Abgeordnete geklaut“.
Ebenso klagte Apasiev über den mazedonischen Wahlmodus. „Levica mit 37 Tausend Stimmen nur 2 Abgeordnete, die Allianz mit 72000 Stimmen dagegen ganze 12!“ erklärt der Kopf der Linken, „als parlamentarische Partei werden wir gegen das Wahlmodell vorgehen“.
Apropos Allianz: Von Wahlfälschung und grober Manipulation sprach eben auch der Kopf der Allianz der Albaner, Zijadin Sela. Seine Partei konnte zwar gegenüber den letzten Wahlen die Sitze sogar vervierfachen, von drei auf zwölf, trotzdem legte man ebenfalls Einsprüche ein. Insgesamt 74 solcher Einsprüche legte die Partei bei der SEC vor. Wie Sela sagt „habe man grobe Wahlmanipulation von Seiten der DUI erdulden müssen“.
VMRO-DPMNE fordert das Nachzählen der Stimmen per Hand
Die wenigsten Einsprüche erhob die größte Oppositionspartei und Widersacher der SDSM. In den mazedonischen (hauptsächliche Pro-Regierungs) Medien wurde versucht zu spotten, dass Sela rund achtzig Einwände habe dagegen Mickoski nur deren zwei. „Das zeige das er die Niederlage akzeptiere“. Später zeigte sich, dass Mickoskis Partei tatsächlich nur zwei Einsprüche erhob, jedoch ist einer davon ein schwerwiegender.
So fordert die konservative Partei, „wegen grober Manipulation und Verzerrung im Prozess bei der Auszählung und der Eingabe der Ergebnisse in das elektronische System“, dass nun alle Stimmzettel per Hand nachgezählt werden sollten. Sie Zweifeln an den Angaben der Software, „Wir haben Endberichte von Wahlbezirke vorliegen die unterschiedliche Zahlen als das System zeigen“. Bei einem derart knappen Ergebnis von nur 12 Tausend Stimmen Unterschied, ist verständlich das der Kampf um jede mögliche weitere Stimme im Nachverfahren mit jedem legitimen Mittel nun hiermit eröffnet ist.
Die staatliche Kommission wird am Sonntag und am Montag über die Einwände der Parteien entscheiden.
„Cyber-Terrorismus und Hackerangriff“ auf die Webseite
Als um 21:10 Uhr am Mittwochabend sich die Webseite der staatlichen mazedonischen Wahlkommission für drei Tage verabschiedete, glühte das Social Media Netz in Mazedonien. Dies sei ein unerhörter Skandal, war die allgemeine Meinung. Und man mag den Zorn der Wähler in Mazedonien verstehen. Dies war ein absolutes Novum, dass die mazedonische Wählerschaft drei Tage lang keine Einsicht in die offiziellen Zahlen, bzw dem Verlauf der Auszählung als auch Endergebnisse hatte. Die einzigen Quellen waren Zahlen die aus Pressekonferenzen der SEC per Youtube, in wirklich bescheidener Qualität, überbracht wurden.
Schon beim ersten Livemitschnitt sprach der Direktor der SEC von einem „vermutlichen Hackerangriff“. Er sei zwar kein Experte, aber die Anzeichen würden dies zeigen so der Direktor. Dies erzürnte die User in den Netzwerken um so mehr, man habe keinen Abwehrmechanismus für eine absolut wichtige Angelegenheit wie eine Wahl, konterten die User.
Die Mehrheit der User erhob schon früh die Anschuldigungen das Wahlfälschung und Manipulation betrieben wurde. „Früher haben sie nur an der Urne Stimmen geklaut, jetzt auch noch mit teurer Software!“ schrieb ein User auf Twitter. „Hackerangriff, das ich nicht Lache. Stimmenklau!“ schrieb ein anderer.
Einige meinten kurz gesagt, die Wahlkommission sei „mit unfähigen politischen Marionetten besetzt die keine einfache Grafik erstellen können“. Sie nahmen Bezug auf die Simulation der Sitzverteilung des Parlaments, welche man nach 3 Tagen dann endlich einsehen konnte. Man hatte die gleiche Farbe für die beiden Hauptkonkurrenten SDSM und VMRO-DPMNE verwendet (siehe Bild oben). Eine optische Unterscheidung der Sitzverteilung ist nicht gegeben, der User muss jeden Sitz einzeln anklicken um zu erfahren ob nun – Rot für SDSM oder – Rot für VMRO-DPMNE. „Stümperhaft, Idiotisch, Amateure“ meinte ein Twitter User durchaus passend dazu.
Erste Ergebnisse zeigten „Lotto Zahlen“ statt Wahlergebnisse
Als dann die Webseite der Wahlkommssion letztendlich „irgendwann“ wieder funktionierte und sich die Wählerschaft auf die Ergebnisse stürzte, hagelte es erneut Gelächter und heftige Kritik.
Was war passiert? Die Seite der SEC zeigte alles mögliche wie Lottozahlen, aber keine Wahlergebnisse von dieser Welt, war der Tenor der mazedonischen User auf Twitter! Kleine Kostprobe:
Wahlkreis 4. Wahlbezirk 1782 Novo Selo, bei Strumica im Osten Mazedoniens.
Die ersten Ergebnisse der Webseite der SEC besagten demnach, dass die Allianz der Albaner von Zijadin Sela knapp 68 Prozent der Stimmen in Novo Selo errang, Ali Ahmeti und DUI deren 21 Prozent, die Koaltion SDSM und Besa 8,33%, die DPA von Menduh Taci 1,79% und die VMRO-DPMNE 0 Prozent!!!
Der Hint: Laut letzter (etwas veralteter) Volkszählung aus dem Jahr 2002, lebt in Novo Selo kein einziger Albaner!
SEC meldet Vorfall erst nächsten Tag bei der Polizei – auf Nachfrage!
Wie das mazedonische Portal „Investigation Reporting Laboratory Macedonia“ meldet, habe die Wahlkommission erst am nächsten Tag bei der Polizei den Fall gemeldet, Beziehungsweise Anzeige erstattet. Allerdings erst, wie die Investigetiven Reporter berichten, als die Polizei selbst bei der SEC eine Anfrage stellte, ob es tatsächlich einen Hackerangriff gegeben habe. Die SEC habe laut IRL erst am Donnerstag um 12:30 Uhr Anzeige erstattet! Über fünfzehn Stunden nach dem Angriff! Dies sei ein Skandal meinen die Reporter.
Ein kurzes Stenogramm der Mazedonien Wahlen 2020 übernommen von IRL zum Hackerangriff. Der angebliche Angriff wurde von Seiten der SEC auch als „Cyber-Attack“ sowie „Software-Terrorismus“ bezeichnet. Laut IRL handelte es sich um einen so genannten DDoS Angriff.
21.10 Uhr: Der erste Angriff
Die Website der Wahlkommission, die die Hauptquelle für die Überwachung der Wahlergebnisse darstellt, fällt. Journalisten und die Öffentlichkeit können stundenlang keine Informationen von der SEC erhalten.
„Die Seite hat einfach aufgehört zu arbeiten. Wir konnten nicht wissen, ob es sich um ein technisches Problem oder einen Angriff handelte. Die Dinge wurden merkwürdig, als time.mk bekannt gab, dass sie Ziel eines Hackerangriffs war. Wir wussten wirklich nicht, was mit der Website überhaupt passiert ist und ob es sich um einen Angriff oder einen technischen Fehler handelt, was viel Raum für Spekulanten lässt, die im Namen verschiedener Machtzentren diese Gelegenheit nutzen wurden, um die Glaubwürdigkeit der Wahlergebnisse zu untergraben“, sagte Marija Mitevska von Radio Free Europe.
21:15 SEC berichtet an Duna Computers
Die SEC berichtete Duna, dem Unternehmen, das für das elektronische System zur Eingabe und Übermittlung von Wahlstatistiken verantwortlich ist, und glaubte, dass das Problem in der Wahl-App liege. Von dort antworteten sie, dass die Website abgestürzt sei. Während die SEC-Beamten in in Panik gerieten, bemerkte niemand, dass das Problem bei der gesamten Website der SEC lag und nicht nur bei der Seite mit den Wahlergebnissen, die als separate Plattform fungiert.
Dies bedeutet, dass wenn nur die App abstürzt, der Rest des Inhalts weiterhin verfügbar ist und nur die Ergebnisplattform nicht verfügbar ist. In der SEC herrschte echte Panik, und niemand wusste genau, was zu tun war.
Duna sagt, dass sie versucht haben, ihnen zu erklären, dass das Problem bei ihrem Server lag. Die Anwendung, in welche die Wahlergebnisse eingegeben werden, wird unabhängig von der SEC-Website in einem von der Öffentlichkeit sichtbaren Netzwerk abgelegt und von der Firma „Duna“ gestellt. Sie weisen sie an, ihre Server zu checken.
Die SEC betreibt eigene Server, eine Spende von 200.000 US-Dollar von zwei internationalen Spendern, der US-Regierungsbehörde USAID und der International Federation of Electoral Systems (IFES). Die neuen Server wurden vor ca. 2 Monaten in Betrieb genommen.
„Wir haben ihnen sofort gesagt, dass es sich um einen Angriff handelt und nichts mit der Anwendung zu tun hat.“ Dann haben sie von A1 Austria angerufen, um ungewöhnlich hohen Verkehr pro Sekunde zu melden“, sagte Aleksandar Pajkovski von Duna Computers.
21:40 A1 Austria unterbindet den Hackerangriff, Abwehrmechanismus des SEC schlägt fehl
Obwohl die SEC einen Schutz abonniert hat, der solche Angriffe schnell abwehren sollte, und den Server so schnell wie möglich an die gehackte Site zurücksenden sollte. Der Angriff wurde gestoppt, als das internationale Telekommunikationsunternehmen A1 Austria intervenierte.
„Nach dem erfolglosen Versuch von A1 Macedonia, das Problem zu lösen, reagierte A1 Austria und blockierte den Angriff“, sagte Vlado Vasiljevski, Leiter der Abteilung Informationstechnologie bei der SEC.
16. Juli, der Tag nach den Mazedonien Wahlen 2020
12:30 Die SEC meldet sich bei der Polizei, nachdem das Innenministerium nachgefragt hat, wann sie Bericht erstatten werden.
Dies bestätigte das Innenministerium gegenüber IRL. Dagegen gab es keine Antwort Seitens SEC, warum sie so lange darauf gewartet hatte, sich bei der Polizei zu melden.
Vorwürfe von Wahlunregelmäßigkeiten und Einwänden der Parteien werden vom Cyber-Skandal der SEC überschattet.
QUELLEN: Vecer, Libertas, Nova Tv, IRL (Mazedonisch), zusammengefasst und übersetzt von mazedonien-news.mk