Brüssel hat auf eine Lösung der Namensfrage „dank des Prespa-Abkommens“ gedrängt aber dabei seine Verantwortung vergessen – schreibt die mazedonische Tageszeitung Nova Makedonija in einem ausführlichen Artikel den wir hier für euch übersetzt haben.
Der Jahrestag der Unterzeichnung des Prespa-Abkommens rückt näher, und die wichtigste Schlussfolgerung, die nach diesen vier Jahren gezogen werden kann, ist, dass dieses Dokument nur Mazedonien Verpflichtungen auferlegte. Ungeachtet der Tatsache, dass mit der Unterzeichnung in Nivici ein Teil der Verpflichtungen vom benachbarten Griechenland akzeptiert wurden.
In der Praxis sieht es jedoch völlig anders aus. Griechenland verzögert nämlich nicht nur die Ratifizierung der drei Memoranden im griechischen Parlament, umgeht nicht nur die Verpflichtungen des Abkommens. Sondern stellt Mazedonien nun auch neue Bedingungen, die über den Rahmen des Abkommens hinausgehen.
Auf der anderen Seite ist Mazedonien neben der Umsetzung aller Punkte und Kommas des Prespa-Abkommens sogar so weit gegangen, die Bestimmungen über den Prozess und die Dynamik der Verhandlungen mit der Europäischen Union zu erfüllen, obwohl dies bis heute nicht der Fall ist. Die Beitrittsgespräche mit der EU haben noch nicht begonnen und aktuell ist es nicht bekannt, wann diese überhaupt beginnen werden.
All dies wirft das Dilemma auf, ob dies bedeutet, dass das Land das Abkommen weiterhin respektieren sollte, oder sich unter Beachtung des rechtlichen Rahmens international geprüfter Abkommen auf den Artikel zu beziehen, der sich in jedem Abkommen auf die Streitbeilegung bezieht, d.h. in diesem Fall auf Artikel 19. Dieser Artikel legt klar fest, wie vorzugehen ist, falls eine der Unterzeichnerparteien die Vereinbarung nicht umsetzt. In der Praxis würde dies bedeuten, beim Internationalen Gerichtshof eine Klage einzureichen, um die Haftung der Partei zu begründen, die das Abkommen verletzt.
Sobald sich eine Partei nicht an das hält, was sie akzeptiert und unterzeichnet hat, kann die andere Partei nach internationalem Recht de facto nur feststellen, dass das Abkommen nicht umgesetzt wird, und es kündigen.
Die EU ist stark in das Prespa-Abkommen eingebunden
Wenn die Sache so weit geht, dass der Internationale Gerichtshof feststellt, ob Griechenland gegen das Prespa-Abkommen verstößt, dann ist die Schuld an der ganzen Sache nicht nur in Athen zu suchen, sondern der direkte Schuldige an einer solchen Entwicklung ist die Europäische Union selbst.
Die umfangreiche Interpretation besagt nämlich, dass Brüssel das Ganze mit dem Abkommen vorangetrieben hat. Die EU war Vermittler und Moderator zwischen Mazedonien und Griechenland und der damalige Erweiterungskommissar Johannes Hahn und die damalige Außenpolitikkommissarin Federica Mogherini nahmen an der Unterzeichnungszeremonie teil. Als eine Art europäische Garantie dafür, dass das Abkommen von beiden Unterzeichnerstaaten eingehalten werden muss und dass die Union die Umsetzung der Bestimmungen überwachen wird.
Es ist mehr als klar, dass die EU der Generator dieses Abkommens war und sich aktiv an seiner Vorbereitung beteiligte, sich aber auch für seine Akzeptanz im Land einsetzte, mit dem bekannten Slogan, dass „der Name das letzte Hindernis auf dem Weg Mazedoniens zur EU sei.“
Die Union ließ sich direkt in die Kampagne und die Frage des Referendums im Land einbeziehen, was für die meisten mazedonischen Bürger bedeutete, dass die Europäische Union hinter dem standen, was in Nivici unterzeichnet wurde. Dieses Engagement Brüssels hat der Union zweifellos die Aufgabe auferlegt, die Umsetzung des Abkommens zu überwachen, da die darin enthaltenen Punkte mit dem Prozess der europäischen Integration des Landes zusammenhängen.
Tatsächlich bestehen die Brüsseler Bürokraten seit Jahren darauf, eine Einigung mit Griechenland als letzte Bedingung für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen zu erzielen, aber da dies nicht geschehen ist, hat Mazedonien nun ein legitimes Recht, die Vereinbarung nicht zu respektieren und zu verlassen.
Dies bestätigt nur, dass Brüssel nicht nur kein Interesse mehr an der Umsetzung des Prespa-Abkommens hat, sondern auch einem Mitgliedsstaat der Union, der dieses Abkommen als Erstunterzeichner unterzeichnet hat, erlaubt, es eklatant zu verletzen und seine Verpflichtungen nicht zu erfüllen.
Betrachtet man die Dinge durch ein solches Prisma, stellt sich die Frage, ob die EU, nachdem sie Mazedonien buchstäblich gezwungen hat, ein solches (nach Ansicht der Abkommen-Gegner erniedrigendes und kulturell völkermörderisches) Abkommen zu akzeptieren, seine Umsetzung nicht stärker berücksichtigen sollte, insbesondere durch Griechenland. Nach aller Logik folgt daraus, dass die EU die Verantwortung übernehmen sollte, sobald der südliche Nachbar die Bestimmungen des Abkommens nicht erfüllt, und da sie Mazedonien zur Unterzeichnung des Abkommens drängt, also Druck auf Griechenland ausübt, das Unterzeichnete umzusetzen. Oder, nach anderen und weicheren Interpretationen, die EU ist sich der gravierenden Ungereimtheiten im Abkommen und der Asymmetrie zugunsten Griechenlands bewusst, distanziert sich also jetzt stillschweigend und pocht nicht auf dessen Umsetzung?!
Wenn Europa jedoch weiterhin taub und blind gegenüber der eklatanten Verletzung des Prespa-Abkommens ist, dann hat Mazedonien das gesamte Völkerrecht auf seiner Seite und kann dieses Abkommen frei für null und nichtig erklären und kündigen.
Die Universitätsprofessorin für Verfassungsrecht und politisches System an der Juristischen Fakultät „Iustinianus Primus“ in Skopje, Tanja Karakamisheva, ist der Ansicht, dass die EU mit der Umbenennung des Landes ihre Absicht erreicht hat und nun die Umsetzung des Prespa-Abkommens nicht mehr überwachen wird. Die EU fühle sich noch weniger haftbar im Zusammenhang mit der Umsetzung der Bestimmungen durch ein Land, dessen Mitglied es ist.
Die Europäische Union hatte und wird niemals eine Verantwortung gegenüber Mazedonien haben. Ich frage mich überhaupt, gegenüber wem sie Verantwortung übernehmen würde? – fragt Karakamisheva.
Sie erinnert noch einmal daran, dass dieses Abkommen nicht nur der Charta der Vereinten Nationen widerspricht, sondern auch gegen alle europäischen Postulate verstößt, einschließlich derjenigen der OSZE, des Europarates und der EU.
Das Abkommen verstößt gegen die UN-Charta, gegen alle einschlägigen Gesetze zum Schutz der Menschenrechte, gegen die OSZE-Gesetze und insbesondere gegen die Werte und Grundsätze des Europarates. Aufgrund dieses falschen Inhalts, der vor den Justizbehörden leicht nachgewiesen werden kann, wird seine Annullierung beantragt – erklärt Karakamisheva und fügte hinzu, dass es unangebracht sei, über eine Verantwortung der EU für die Nichterfüllung des Prespa-Abkommens zu sprechen.
Die Professorin erinnerte noch einmal daran, dass dieses Abkommen völlig asymmetrisch ist, d.h. Mazedonien hat zu viele Verpflichtungen, im Gegensatz zu Griechenland, das nur Rechte, aber keine Verpflichtungen erhält, und deshalb schweigt die EU.
Die Vereinbarung ist keine Vereinbarung! Für eine Einigung müssen sich beide Parteien einig sein, es muss Gegenseitigkeit in Rechten und Pflichten geben, insbesondere symmetrisch in Pflichten und annähernd gleich in Rechten! Diese „Vereinbarung“ ist radikal asymmetrisch und von endgültiger Natur, da sie nur „Zweitpartei“-Verpflichtungen und -Rechte für die Hellenische Republik schafft. Die bedingten Verpflichtungen der Hellenischen Republik gelten nicht als echte Verpflichtungen, da sie durch die Erfüllung der Verpflichtungen der „zweiten Partei“ bedingt sind, was an sich schon Erpressung ist – erklärt die Professorin.
Für sie erlaubte die EU die Unterzeichnung eines Abkommens, das der Praxis der meisten EU-Mitgliedstaaten, aber auch der Helsinki-Schlussakte der OSZE, die die Verpflichtung aller Länder zur Achtung der souveränen Gleichheit und Individualität der Staaten festschreibt, widerspricht sowie Rechte, die sich aus der Souveränität ergeben, einschließlich des Rechts jedes Staates auf rechtliche Gleichheit, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit.
Das Abkommen ist verfasst und regelt den Inhalt einer Angelegenheit, die den vorgeschriebenen Jus cogens-Normen widerspricht und in direktem Widerspruch zu ihnen steht, die absolut und unveränderlich sind und von niemandem verletzt werden dürfen, zumindest nicht von den Vertretern der UN und der EU. Im Widerspruch zum Völkerrecht muss dieses Abkommen annulliert werden, betont Karakamisheva.
Mit dieser Haltung zeigte die EU, dass ihre einzige Absicht darin bestand, diese offene Frage zu schließen und sie den europäischen Bürokraten als Erfolg zu präsentieren, ohne weitere Verpflichtungen zur Erfüllung des Abkommens einzugehen. Wenn ja, dann sollte Mazedonien das Abkommen sofort aufgeben und mit dem Finger auf die EU zeigen, die ihre Versprechen nicht erfüllt hat.
Mazedonien kann das Prespa-Abkommen kündigen, wenn es einseitig und ohne Verletzung des Völkerrechts den politischen Willen schafft!
Experten glauben, dass die umfassende Interpretation weniger effektiv ist und länger dauert, um die Verantwortung der Europäischen Union zu übernehmen. Daher ist für sie der einfachste Weg, das Prespa-Abkommen einseitig zu kündigen und die Namensfrage vor der UN-Generalversammlung zur Sprache zu bringen.
Ich bin eine Person, die sich für die einseitige Kündigung des schädlichen und rechtswidrigen Prespa-Abkommens durch eine diplomatische Note an die andere Seite – Griechenland, auf der Grundlage von Artikel 53 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge von 1969 (bezüglich der Kündigung gem Jus cogenes Gesetz). Dieses Schreiben drückt den Willen des Staates aus, das Prespa-Abkommen wegen Verletzung der grundlegenden zwingenden Normen des Völkerrechts jus cogens zu kündigen (eine diplomatische Note wird als einseitiger Rechtsakt an die andere Partei gesendet, vorbehaltlich der Kündigung des Abkommens). Nach dem Versand dieser Note an Griechenland (zur Kündigung des Abkommens) wird für diesen rechtlichen und politischen Schritt (d.h. zur Kündigung) eine diplomatische Note an die UN geschickt, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Zeuge in der Vereinbarung der UN-Vertreter ist. Gleichzeitig wird eine besondere Note verschickt, in der darum gebeten wird, dass die Verlängerung des Mitgliedschaftsstatus des Landes unter dem Namen „Republik Mazedonien“ (d.h. der Name, der auf der Tagesordnung der nächsten UN-Generalversammlung steht, auf die Tagesordnung der nächsten Generalversammlung der Vereinten Nationen gesetzt wird), die wir ursprünglich 1993 bei der UN beantragt haben) – erklärt Igor Janev, Universitätsprofessor für internationales Recht am Institut für politische Studien in Belgrad.
Ihm zufolge ist das Prespa-Abkommen selbst nicht nur „schädlich“, wie es oft heißt, sondern auch ein illegales Abkommen, nach internationalem Recht, aber auch aufgrund der Tatsache, dass es nicht von autorisierte Personen unterzeichnet wurde, und dann der Ratifizierung Akt wurde von einer unbefugten Person paraphiert.
Das illegale innerstaatliche (verfassungsrechtliche) Verfahren und die Tatsache, dass dies der anderen Partei (Griechenland) bekannt war, schufen Gründe für die Vertragsauflösung, die in Artikel 46 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens von 1969 vorgesehen sind (d.h. Bestimmungen, die sich auf inländische Auslassungen, Fehler oder Rechtswidrigkeiten beziehen) – so Janev. Über die Ansichten und Argumenten von Janev hatten wir auf mazedonien-news.mk schon einen Beitrag veröffentlicht, siehe:
Er fügt hinzu, dass die Namensfrage nicht gelöst sein wird, bis die Namensstrategie in der UN-Generalversammlung (und schließlich dem Internationalen Gerichtshof) umgesetzt ist! Alles andere ist eine leere Geschichte. Streitigkeiten über Staatsnamen gibt es im internationalen Recht nicht – schließt Professor Janev, der glaubt, dass die Beendigung des Prespa-Abkommens der einzige Weg ist, die mazedonische Identität zu bewahren.