Die aktuelle mazedonische Regierung will den Bau der Straßeninfrastruktur mit einer neuen Autobahn beschleunigen. Dazu ändert sie mehrere Gesetze und vergibt den Bauauftrag ohne Ausschreibung. Verfahren, die nach Ansicht der Opposition vor allem die Staatskasse zugunsten privater Interessen schädigen. Experten schlagen Alarm und die Anti-Korruption untersucht den Fall.
Während die Regierung es als das größte Infrastrukturprojekt des Jahrhunderts ankündigte, behauptet die Opposition, dies geschehe nur aus Populismusgründen. (Nächstes Jahr wären turnusmäßige Parlamentswahlen).
Das Projekt wird Mazedonien viel Geld kosten, so viel wie noch nie. So geht das politische Duell um den angekündigten Bau der neuen 110 Kilometer langen Autobahn in Mazedonien weiter.
Sondergesetz zum Bau der Autobahn verabschiedet
Um den Bau zu ermöglichen, verabschiedete die herrschende Mehrheit der Koalition zwischen SDSM und DUI im Juli 2021 ein Sondergesetz. So vergab man den Auftrag an ein ausländisches Konsortium – jedoch ohne öffentliche Ausschreibung. Haushaltsgelder für den Bau von Autobahnen wurden faktisch unter vier Augen einem Auftragnehmer zugeteilt.
Gleichzeitig sind sich Regierung und Opposition über den aktuellen Prozess der Änderung von Teilen von mindestens acht Gesetzen uneinig. Änderungen, die nach Angaben der Regierung notwendig sind, um den Bau strategisch wichtiger Straßen und Infrastrukturen im Land zu beschleunigen.
Das von der Regierungskoalition gewünschte Sondergesetz für den Bau der Autobahnen – Teil der breiteren Korridore 8 und 10d – führte im März 2023 zur Unterzeichnung einer Vereinbarung mit dem amerikanisch-türkischen Konsortium „Bechtel und Enka“.
Wochen später versucht das Parlament nun, die Änderungen und Ergänzungen zu acht Gesetzen im Zusammenhang mit dem Bau der Korridore 8 und 10d zu verabschieden. Darunter das Gesetz über landwirtschaftliche Flächen und das Gesetz über Enteignungen. Sowie das Gesetz über Stadtplanung, das Gesetz über Wälder, und das Baugesetz. Änderungen des Kulturerbegesetzes wurden nach Protesten vor dem Parlament der Archäologenverbände zurückgezogen.
Das Sondergesetz gilt für die Autobahnabschnitte Tetovo – Gostivar (17,5 Kilometer), Gostivar – Bukojcani (30,3 Kilometer) und Trebenishte – Struga – Kjafasan (21,7 Kilometer). Teil des Korridors 10d ist auch eine Autobahnverbindung zwischen Bitola und Prilep (39,3 Kilometer).
Für den Bau der genannten Infrastrukturen sind 1,3 Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt vorgesehen. Zudem sind 300 Millionen Euro für die Enteignung des Landes entlang der gewählten Trasse vorgesehen. Der geplante Betrag von 1,3 Milliarden Euro könnte allerdings steigen, wie die Regierung mittlerweile angekündigt hat.
Geheimnisse, Intransparenz und Korruptionsvorwürfe
Die heftigen Auseinandersetzungen, die diese Entscheidungen auslösten, sind auf den Vertrag mit dem Konsortium „Bechtel und Enka“ zurückzuführen. Dieser soll laut der Regierung nicht veröffentlicht werden, da er als Geschäftsgeheimnis eingestuft ist. Auch wegen der Geheimhaltung warf die Opposition vor, dass keine Informationen an die Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden, da die Vereinbarung schädlich für den Staatshaushalt sei.
Die größte Oppositionspartei VMRO-DPMNE behauptet, über Whistleblower eine Kopie des Vertrags erhalten zu haben. Sie fragt die Regierung nun, ob sich der Staat verpflichtet hat, hohe Strafen an den Auftragnehmer zu zahlen, wenn die gesetzlichen Änderungen nicht innerhalb einer Frist abgeschlossen werden. Nach ihrer Ansicht würde „Bechtel- „Enka“ ernsthaft davon profitieren.
Neun VMRO-DPMNE-Abgeordnete schickten eine schriftliche Anfrage an Premierminister Dimitar Kovacevski, um die „Vereinbarung über den Bau von Korridor 8 und Korridor 10d“ offenzulegen, erhielten jedoch keine Antwort.
„Die Regierung muss erklären, warum sie sich für diesen Monat zu Strafen in Höhe von 53 Millionen Euro und insgesamt 196 Millionen Euro verpflichtet hat. Und zwar allein auf der Grundlage einer Gesetzesänderung und der Einführung einer 60-Stunden-Woche“, sagte VMRO-DPMNE-Sprecher Naum Stoilkovski bei einer Pressekonferenz.
Die herrschende Mehrheit antwortete, dass die Opposition nach angeblich „pro-russischen Leitlinien“ arbeite und das Projekt bewusst blockieren wolle.
Für die Regierung ist alles transparent
Artan Grubi von DUI, der die Position des ersten Vizepräsidenten und Ministers für das politische System in der Regierung innehat, wurde zum Koordinator für den Bau der Straßen ernannt. In seiner letzten Ansprache an Journalisten und Vertreter der Handelskammern sagte er, es gebe keine Geheimnisse um den umstrittenen Deal.
„Einzelheiten des Abkommens, die von öffentlichem Interesse sind, waren nie ein Geheimnis. Wie zum Beispiel der Wert des Abkommens, die Art und Weise der Umsetzung des Abkommens, wie das Geld der Bürger ausgegeben wird. Es gibt keine Vertragsstrafen und auch keine Zahlung von Vertragsstrafen ist im Vertrag vorgesehen. Der Staat hat die Möglichkeit, die Autobahnen innerhalb der von der Regierung gesetzten Frist von 57 Monaten zu bauen oder zu akzeptieren, dass die Autobahnen noch einige Jahre gebaut werden“, sagte Grubi.
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„Bisher wurden keine Mittel an den Auftragnehmer ausgezahlt. Die erste Zahlung ist der Vorschuss für den Beginn der Bauarbeiten. Jeder Cent, den der Staat an den Auftragnehmer zahlt, wird abgerechnet.“
Grubi wies auch darauf hin, dass bereits bei der Veruntreuung von nur einem Denar die Schuldigen mit lebenslanger Haft bestraft werden sollten. Die Opposition antwortete ihm ironisch, dass er die Strafe für sich selbst bestimmt habe, die er verhängen will. Denn, eine Anklage wegen Korruption entgehe ihm nicht.
Gleichzeitig gab die staatliche Kommission zur Korruptionsprävention (SCPC) bekannt, dass ihr Team den für die Korridore 8 und 10d eröffneten Fall bearbeiten werde. Nachdem in der Öffentlichkeit Zweifel am Verfahren zur Auswahl von Auftragnehmern ohne öffentliche Ausschreibung aufgekommen waren.
Präsident Stevo Pendarovski sagte, er werde den endgültigen Inhalt der Gesetze abwarten. Auf die Frage, ob er das Dekret unterzeichnen werde, wenn das Baugesetz und andere Gesetzesänderungen verabschiedet sind.
„Mein Anwaltsteam beobachtet bereits die Debatte und das, was als Endprodukt herauskommen wird“, sagte Pendarovski. „Was das Verfahren angeht, denke ich, dass die Regierung zwar ein verkürztes Verfahren verfolgt, aber genügend Zeit für die Opposition bleibt Änderungsanträge einzureichen, sich an der Debatte zu beteiligen und eine begründete Diskussion zu führen, wie es sich für dieses wichtige Gesetzeswerk gehört.“
SDSM Regierung stoppte einst den Autobahn Bau selbst – mit fadenscheinige Argumente
Den Bau der Autobahn Kichevo-Ohrid mit einer Gesamtlänge von 57 Kilometern, Teil des Korridors 8, startete man vor zehn Jahren im Februar 2014, ist aber noch nicht abgeschlossen. Derzeit sind nur 8,5 Kilometer von Trebenishta nach Ohrid für den Verkehr fertig gestellt und freigegeben.
Die damalige Regierung unter Führung der VMRO-DPMNE nahm für den Bau einen Kredit der chinesischen Staatsbank „Exim“ auf, den Mazedonien in 20 Jahren zurückzahlen muss. Den Plänen zufolge hätte die neue Autobahn in 4 Jahren fertiggestellt und 2018 eröffnet sein sollen.
Im Jahr 2017 nachdem die SDSM die Regierung übernahm, ist die Autobahn bis heute immer noch nicht fertiggestellt. Die derzeitige Regierung behauptete, die Chinesen hätten die Trasse verfehlt, ein schlechtes Projekt vorgelegt, und bezeichneten das Projekt als „Gruevskis kriminelle Autobahn“. Pompöse Ankündigungen machte die SDSM, man werde ein besseres Projekt entwerfen und die Trasse fertigstellen. Nun baut sie selbst an der Autobahn, ohne jeglichen Fortschritt in den letzten Jahren. Und, die Trasse bleibt trotz der damaligen Vorwürfe die gleiche…
Dieser nicht fertiggestellte Teilabschnitt soll nun bis Dezember 2023 fertig sein.